Artikel in der Südthüringer Zeitung vom 22. August 2014
„In den Landtag gehört ein Pirat“
Er will kein Pöstchensammler sein und hat was gegen personenbezogenen Wahlkampf. Als Direktkandidat der Piraten hat sich Jan Schrenke trotzdem aufstellen lassen. Weil es ihm um die Sache geht. Von Milina Reichardt-Hahn Schmalkalden – Die Blumen im Viba-Park leuchten in allen Farben. Jan Schrenke sticht trotzdem heraus. Sein T-Shirt in Knallorange fällt auf. Ihm ist es recht. „Ein bisschen aufmischen hat noch keinem geschadet“, sagt er. Der Kreisverband der Piraten schickt mit Schrenke erstmals einen Direktkandidaten in den Landtagswahlkampf.
„Den Wahlkampf bei der Kommunalwahl haben wir voll in die Binsen gesetzt, so ehrlich muss man sein“, sagt der Kandidat. „Wir machen die Fehler, weil für uns alles neu ist.“ Die Landtagskandidatur sei offen besprochen worden. „Wollen wir das machen?“, hat Schrenke den Kreisverband gefragt. Im Piraten- Mumble, einer Art Internettelefonrat, kam die Rückfrage, was er denn in Erfurt wolle. „Viele dachten, dass einer für Thüringen Politik macht,wenn er in Erfurt ist.“ Für Schrenke ist dagegen klar, dass er im Landtag seinen Wahlkreis vertritt. „Ich sehe die Probleme vor Ort.“
Rückkehr ins Nest
Er sei „Schmalkalder mit Leib und Seele“. Der 41-Jährige ist hier geboren und aufgewachsen. Als Jugendlicher habe er oft in der Villa K „rumgehangen“. Die Zeit dort habe ihn nachhaltig geprägt. „Wenn man es sich selbst nicht leisten konnte, hatte man da zum ersten Mal Zugriff auf Musikinstrumente wie ein Schlagzeug.“ Beruflich war er viel im Ausland unterwegs, außer in Asien habe er auf jedem Kontinent gearbeitet. Als gelernter Elektroinstallateur wartete er Tankanlagen und Schiffe. „Ich hab’ meinen dritten Reisepass“,sagt er. „Die anderen zwei sind voll.“ Vor zehn Jahren machte er sich selbstständig und kehrte auch beruflich in die Heimat zurück. Warum, weiß er nicht genau. „Irgendwie zieht es einen immer wieder zurück ins Nest“, sagt er. Das Kleinstadtleben findet Schrenke toll. „Man kennt jeden, jeder kennt einen. Man kann was ändern, wenn man die Möglichkeit bekommt von den Wählern.“
Der Drang, etwas zu ändern, hat Schrenke zur Politik gebracht. „Das ist schon ein komisches Hobby“, sagt er. Viele seiner Kumpels würden sich nicht dafür interessieren. Aber Schrenke will mitreden. Vor allem da, wo er „mitbezahlt“, wie etwa bei der Kasseler Straße, wo er wohnt. „Die Straße sollte bis Juli fertig sein. Jetzt ist Mitte August, und ich denke, das wird auch dieses Jahr nichts mehr. Was ist da mit Konventionalstrafen?“, will Schrenke wissen.
Um solche Fragen zu stellen, will er in den Landtag. „Als Piraten finden wir absolut furchtbar, was dort hinter verschlossenen Türen passiert.“ „Eine Salzpipeline bis zur Nordsee!“, ruft er. Oder der Viba-Park! Wurde der nun komplett dem Unternehmen überschrieben oder nur verpachtet? „Das weiß keiner, weil man die Verträge nicht einsieht.“ Der Park sei toll geworden, keine Frage. Doch jetzt bräuchte es vier Mann für die Gartenpflege.
Schrenke dreht sich auf der Parkbank um: „Die Hecken wurden nämlich schon länger nicht geschnitten.“ Ein Bürgerentscheid zur Landesgartenschau wäre seiner Meinung nach richtig gewesen. Ohne den, prophezeit Schrenke, „werden die Schmalkalder bald jammern, wenn die Hundesteuer und die Grundstückssteuer steigen und das Schwimmbad teurer wird und die Bibliothek“. Ein schönes Stadtbild nütze nichts, „wenn danach alles vergammelt“. Damit es die nächsten fünfzig Jahre toll bleibt, müssten „Unterhalt und Pflege gesichert sein“. Auch wenn ein Großteil gefördert würde, müsse der städtische Eigenanteil irgendwie wieder reinkommen. Und immer geht es nur um „Fördermittel, Fördermittel“. Beim Gutachten für die Hohe Geba wüsste auch keiner, was das kostet. „Aber es ist unser Steuergeld, also sollten wird das doch wissen“, sagt Schrenke.
Einer, der es anders macht Deshalb gehöre ein Pirat in den Landtag, „ob ich oder ein anderer, das spielt keine Rolle“. Einer, der es anders macht. „Der denen sagt: Ihr könnt nicht ständig Sachen machen, die keiner will!“ Gegen zu viel Gemauschel und zu viel „Verstecktes im stillen Kämmerlein“, was er beobachtet, setzen die Piraten auf Transparenz neben Demokratie und Datenschutz. Gebe es per Mumble etwas zu besprechen, beteiligten sich Piraten aus ganz Deutschland. „Auf einmal klinkt sich jemand von den Linken ein oder andere Nicht-Piraten.“ Den entscheidenden Tipp zum Thema Plakate-Befestigung hätten sie in der virtuellen Arbeitsgruppe „Wahlkampf“ zum Beispiel von einem Mitglied einer anderen Partei bekommen, berichtet Schrenke verschmitzt. Sein Kreisverband verfüge generell über „sehr gute Kontakte zu Mitgliedern anderer Parteien, die im Herzen auch kleine Piraten sind“. Schrenke ist bewusst, dass es komplizierter wird, je mehr Leute mitreden. „Klar, manchmal verderben zu viele Köche den Brei. Aber global gesehen können viele eben mehr bewirken.“ Bei manchen Fragen falle ein klares Nein oder Ja trotzdem schwer. „Da fehlen uns auch Informationen.“ Die innerparteiliche Meinungsbildung funktioniere über E-Mail mit Ankreuzen. Wie viele Piraten der Kreisverband derzeit umfasst, kann Schrenke nicht genau sagen, knapp vierzig seien es wohl. „Wir können nicht nur im Netz gegen die NSA schreien, die Sicherheit fängt bei den eigenen Mitgliedern an“, begründet er. Auch der Kreisverbandsvorstand muss den Weg über den Datenschutzbeauftragten in Erfurt nehmen, wenn er seine Mitglieder erreichen will. Und sei es nur für die Einladung zum Sommerfest. „Das ist Datenschutz pur“, bekräftigt Schrenke. Andere Parteien könnten sich davon eine Scheibe abschneiden, meint er.
Aus der CDU ist Schrenke 2011 nach etwa zehnjähriger Mitgliedschaft ausgetreten. „Wir konnten uns nicht richtig verwirklichen“, begründet er und meint eine mehrköpfige Gruppe von „jungen, motivierten Leuten“. Mit dem einzigen Piraten, den es damals in der Gegend gab, gründeten Schrenke und die Mitstreiter 2012 den Kreisverband. „Wir haben den von null aufgebaut“, sagt Schrenke. Stolz ist der ehemalige Schatzmeister darauf, im Vergleich mit den Thüringer Kreisverbänden finanziell am besten dazustehen.
Sollte sein Einzug in den Landtag klappen, würde Schrenke alles andere auf Eis legen. Auch sein „Zweit- Hobby“, die Musik. Ein „Pöstchensammler“, wie er sie in der CDU gesehen habe, will er nicht sein. „Auch wenn es schwer ist, so was zu sagen, während man für einen Posten kandidiert.“ Dass es klappen wird, davon geht Schrenke aus. „Sonst bräuchten wir nicht anzufangen.“ Gegen Plakate mit dem eigenen Porträt hat er sich trotzdem gewehrt. Er sei kein Freund von personenbezogenem Wahlkampf, im Mittelpunkt stehen wolle er nicht. „Und die Personenplakate sind einfach zu teuer, das kann ich keiner Kasse zumuten.“ Wieso er sich dennoch habe aufstellen lassen?
„Es geht um die Sache.“ Oder mit den Worten seines Mottos formuliert: „Wenn du willst, dass es gut wird, mach’s selbst.“
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